"Hommage an das Meer" lautet das Motto der 27. Herbstlichen Musiktage Bad Urach (HMT). Das Meer, immer in Bewegung, das Wasser mit seinen wechselnden Farben hat immer schon Literatur - seit der Odyssee - und Musik inspiriert.
Florian Prey, künstlerischer Leiter, kann, so wie schon sein Vater, interessante und ungewöhnliche Programme zusammenstellen. Also, nichts ist banal: man feiert auch den 150. Geburtstag von Edward Elgar - Sea Pictures und The dream of Gerontius begeistern -, der tschechische Komponist Johann Joseph Abert, dessen 175. Geburtstag gefeiert wird, ist nicht neu für das getreue Publikum der HMT, das 1998 die Oper Ekkehard erlebt hat, aber die Symphonie "Columbus" ist eine wirkliche... Entdeckung!
Im Familienkreis der HMT gibt es einige immer wiederkehrende Künstler. Einer von diesen ist Florian Uhlig, der der letzte Begleiter Hermann Preys in unvergesslichen Konzerten war - immer herrlich. Jonas Kaufmann ist dieses Jahr leider nicht da - er singt in New York - aber seine Ehefrau Margarete Joswig singt in Elgars Oratorium, ganz passend als "der Engel". Das Konzert findet in der Amanduskirche statt: im wunderbaren Dom zu Bad Urach, mit seiner perfekten Akustik, ist die Musik immer ein neuer Zauber. Letztes Jahr sang der Bariton Michael Volle hier, und in diesem Jahr interpretiert er, mit seinem Bruder Hartmut als Sprecher, Die schöne Magelone von Brahms nach Tieck, einen der schönsten Liederzyklen der Welt, der immer die Frage stellt: wenn Brahms eine Oper geschrieben hätte...? Die dramatische Gewalt ist stark, stark ist auch die zarte Seite - und das Meer ist wichtig, fast wie ein Charakter des Dramas.
Das Meer ist der Mittelpunkt der "Kammermusiknacht in drei Teilen", eine Meeresfahrt durch die Romantik: von einem Jugendquartett Mendelssohns bis zu einem wunderschönen Klavierquintett Dvoraks, durch viele Meereslieder und Duette von Florian Prey und Verena Krause gesungen, mit Klavier oder Streichquartett. Eine Eigenschaft der "Prey-Programme" ist, grosse Komponisten mit anderen, wenig bekannten, zusammenzulegen: Robert Franz, Carl Banck, Johannes Brahms und Adolf Kurt Böhm, ein "zeitgenössischer Romantiker", der bei der Uraufführung seiner Lieder anwesend war. In den Pausen des langen Abends: Häppchen, Sekt und Kaffee - gewiss lebt der Mensch nicht nur von Musik allein!
Musik und Natur - wie schon das Motto lautet, und wie man es bei einem wunderschönen Landspaziergang geniesst: "durch Feld und Wald" wandern wir bei Sonnenschein, mit einer "musikalische-kulinarischen" Pause im Hof Güterstein - "Das Wandern" ist eine rechte Lust, nicht nur des Müllers!
Musik und Malerei - die Ausstellung "Frau- Mond und Meer - Seelenfelder"
Musik und Literatur - einige Lesungen, unter anderem "Der Ozeanpianist" von Alessandro Baricco, von Friedrich von Thun gelesen, mit den Zwillingsschwestern Ferhan und Ferzan Onder an zwei Flügeln: eine Premiere, die mehr als eine Lesung, mehr als ein Konzert ist.
Kein Thema zum Klavierabend Grigori Sokolov: Schubert und Chopin, Musik und nichts anderes - und das ist gar nicht wenig!
Musik und Zeit - das Repertoire geht vom Barock bis zu den Zeitgenossen, und der Sprung ist manchmal weit: Händel-Arien und dann sofort Piazzolla... kann durchaus anmutig sein, wenn die Beiden gut interpretiert sind. Eine andere besondere Begegnung von Musik und Zeit ist ein Stummfilm ("Tabu" von Friedrich Murnau), von neuer Musik kommentiert: ein echtes "Filmkonzert", mit faszinierenden Südseebildern aus den 30ern und schöner Musik live gespielt.
Musik und Zeit kann auch bedeuten, Geburtstag eines Künstlers - nicht nur Elgar und Abert - auch Francisco Araiza feiert am 4. Oktober seinen Geburtstag und seinen Namenstag. Er leitet den Meisterkurs mit vielen (9!) internationalen jungen Sängern, und gibt interessante Vorschläge und Beispiele zu Technik, Stil und Interpretation von Liedern und Opernarien.Grosser Erfolg am Abschlusskonzert. Musik und Zeit, dass heisst auch grosses Interesse an jungen Leuten: viele junge Künstler und Publikum von den Ältesten, bis zu den Jüngsten: zum zweiten Mal gibt es ein Konzert für Kinder. Man liest ein Märchen, von Musik kommentiert, und am Ende dürfen die Kindern die Musiker etwas über die Instrumente fragen: wie spielt man Klarinette, oder was macht der Geiger mit dem Bogen, oder warum das Klavier... So denkt man an die Zukunft!
Und an die Zukunft denken wir auch, schon an nächstes Jahr: da wird Beethoven der Schwerpunkt sein.
Aber, lasset uns den letzten Abend in der Amanduskirche geniessen, lasset uns in den Strom der Musik tauchen: da denkt man an das Heiligtum des Wassers, obwohl diese Barock-Musik ganz weltlich ist: viel von Händel, auch die seltene Kantate "Cuopre tal volta il ciel" (von Florian Prey schön gesungen) und die beliebte Wassermusik. Feuerwerkmusik als Zugabe: der Abend war gar feierlich und leuchtend.
Am Ende grüssen wir einander mit der Vorfreude, uns wieder hier, noch viel- und vielmals zu treffen. In Urach fühlen wir bestimmt wie daheim, zu Haus, wo es so viel Phantasie und besondere Bewegtheit gibt.
HMT: Herbstliche - doch auch "Herzliche" - Musiktage.
ZUM SCHLUSS - LINKS
Ich habe die Darstellungen nicht in der richtigen Reihenfolge kommentiert, habe auch nicht alle Künstler gennant - sonst hätte ich,statt einer Reportage, das Telefonbuch geschrieben. Jedenfalls, ich habe schon gesagt, aus Bad Urach schreibe ich nicht offiziell.
Um alle Termine und Namen zu wissen, schlage ich folgenden Link vor:
www.herbstliche-musiktage.de - Programmübersicht
auf dieser Seite ist auch die Geschichte der HMT nachzulesen.
Um den Ort besser zu kennen:
www.bad-urach.de
Um vom künstlerischen Leiter mehr zu erfahren:
www.florianprey.de
Amelia Imbarrato